Aus Sicht des Kunden muss ein Energieführungs-System einfach nur funktionieren. Das aber setzt die einwandfreie Funktion aller Komponenten voraus, auch der darin eingesetzten Leitungen. Genau hier traten in den frühen 80er Jahren Probleme auf. Bedingt durch ständig – oft sogar sprunghaft – steigende Belastungen infolge der Automation fielen immer häufiger geführte Leitungen aus, obwohl die Energieführung selbst einwandfrei funktionierte. Ausfälle durch “Korkenzieher“ und Aderbrüche legten in Extremfällen die ganze Produktion lahm und verursachten hohe Kosten.
Um diesen unbefriedigenden Zustand im Sinne der Kunden zu lösen, ergriff igus® die Initiative. Als erstes Unternehmen entwickelte es komplette e-kettensysteme®. chainflex®-Leitungen und e-ketten® werden als Lieferung aus einer Hand und – je nach Anwendung – mit einer Systemgarantie angeboten. Auf der Basis des seit 1989 gewachsenen Knowhows und sehr aufwendiger Versuchsreihen entstanden und entstehen die Konstruktionsprinzipien, die heute in Fabriken auf der ganzen Welt Maschinenstillstände verhindern helfen.
Vlies
2Extrudiertes, nicht zugfestes Kernelement
3Adern in Lagenverseilung
Einzeladerbündel mit kurzen Schlaglängen
2Zugfestes Kernelement
3Hochabriebfester, zwickelfüllend extrudierter Mantel
Gesamtschirm mit optimiertem Flechtwinkel
2Zwickelfüllend extrudierter Innenmantel
3Zugfestes Kernelement
Der Begriff "Korkenzieher" bezeichnet in diesem Falle kein nützliches Instrument für Weinliebhaber, sondern die dauerhafte Verformung einer geführten, bewegten Leitung infolge zu hoher Beanspruchung – was meist bereits kurz danach zum Adernbruch führt. Wie kommt es dazu? Wie lassen sich "Korkenzieher" verhindern? Eine entscheidende Rolle spielt hier – neben einer vernünftigen Auslegung des gesamten E-KettenSystems® – die Konstruktion der geführten Leitungen. Prinzipiell lässt sich zwischen bündel- und lagenverseilten Leitungen unterscheiden.
Die Lagenverseilung ist wesentlich einfacher zu fertigen und wird daher auf dem Markt in sogenannten "kettentauglichen" Leitungen zu niedrigen Kosten angeboten. Was auf den ersten Blick verlockt, kann sich jedoch im Alltag schnell als teurer Fehler entpuppen, wenn ein "Korkenzieher" die damit betriebene Anlage lahm legt. Wie entstehen diese Probleme? Dazu ist ein Blick in den Leitungsaufbau hilfreich siehe Bild 1. Bei der Lagenverseilung werden die Leitungsadern in mehreren Schichten rund um ein Zentrum mehr oder weniger fest meist relativ lang verseilt und mit einem auf Schlauch extrudierten Mantel versehen. Bei geschirmten Leitungen kommt eine Umwicklung der Adern mit Vlies oder Folien dazu. Was geschieht nun mit einer derartig aufgebauten, beispielsweise 12-adrigen, Leitung im Betrieb?
Der Biegevorgang staucht in der Bewegung die im Innenradius der Leitung liegende Ader und streckt die im Außenradius liegende Ader. Das geht zu Beginn meist gut, weil die Materialelastizität noch ausreicht. Doch schon bald sorgt die Materialermüdung für bleibende Verformungen und die Adern schaffen sich durch Auslenkung aus der vorgegebenen Bahn "eigene Stauch- und Streckzonen": Der Korkenzieher entsteht und der Adernbruch folgt meist schnell danach.
Die Bündelverseilung beseitigt diese Probleme durch ihr sehr aufwendiges, mehrfach verseiltes Innenleben. Hier werden zunächst die Litzen mit einer besonderen Schlaglänge verseilt und die daraus entstehenden Adern wieder zu Einzeladerbündeln verseilt. Bei großen Querschnitten geschieht dies um ein Zugentlastungselement. Der nächste Schritt ist eine erneute Verseilung dieser Aderbündel um einen zugfesten Kern, eine richtige Kernkordel siehe Bild 2.
Durch diese Mehrfach-Verseilung der Adern wechseln alle Adern im gleichen Abstand mehrfach den Innen- und Außenradius der gebogenen Leitung. Zug und Stauchkräfte gleichen sich damit um die hochzugfeste Kernkordel aus, die dem Verseilgebilde die nötige innere Stabilität gibt. So bleibt auch bei höchster Biegebeanspruchung die Verseilung stabil siehe Bild 3.
Leitungs-Schirmungen haben prinzipiell zwei Aufgaben zu erfüllen:
Schutz der Leitungssignale vor externen Störungen
Abschirmung von Störungen vor der Weitergabe nach außen
Beide Aufgaben sind gleich wichtig, weil fehlerhafte Signale zu erheblichen Folgeschäden in der Anlage selbst wie auch an externen Anlagen führen können. Des Weiteren ist dieser Punkt besonders problematisch, weil eine fehlerhafte Abschirmung von außen gewöhnlich nicht zu erkennen und die Fehlersuche damit ausgesprochen schwierig ist. Wie können solche Probleme überhaupt entstehen? Die Antwort liegt wieder im Innenleben der Leitung selbst: Ist die Abschirmung auf die Bewegung der Leitung ausgelegt? So einfach es ist, eine feste Leitung zu schirmen, so schwierig ist es, die Abschirmung dauerhaft in der Bewegung zu gewährleisten.
Beispielsweise wird bei sogenannten "kettentauglichen" Leitungen der Verseilverband von einer Zwischenschicht mit Folien oder Vliesen umwickelt. Diese soll die Trennung zwischen Adern und Schirmgeflecht gewährleisten. Was bei fester Verlegung funktioniert, genügt oft nicht in der Bewegung. Denn die Folien oder Vliese erzeugen keinen Verbund zwischen Verseilung, Schirm und Mantel und können sich unter Beanspruchung regelrecht auflösen. In der Folge reibt dann die metallische Schirmung auf der Isolierung der Adern – Kurzschlüsse sind vorprogrammiert.
Auch die Schirmfertigung selbst ist zeit- und kostenintensiv, was dazu geführt haben mag, offene Geflechtschirme oder gar nur einfache Draht- Umwicklungen einzusetzen. Die Nachteile liegen auf der Hand: Offene Schirme haben bereits im unbewegten Zustand nur eine eingeschränkte Schirmwirkung – Bewegung und Dehnung reduzieren diesen Schutz noch weiter. Der Schirmtyp ist also ein wichtiger Punkt, der in manchen Katalogen nicht aufgeführt wird.
Diese Schwachpunkte eliminiert igus® bei seinen bis zu ca. 70% linear und ca. 90% optisch bedeckten Leitungen durch ein konstruktiv optimiertes Innenleben. So kommt bei fast allen geschirmten chainflex®-Leitungen über dem Verseilgebilde ein zwickelfüllend extrudierter Innenmantel zum Einsatz. Dieser "zweite Mantel" erfüllt zwei Aufgaben:
Er hält das Verseilgebilde zusammen und führt die einzelnen Adern kanalartig.
Er dient als feste und runde Basis für einen sehr eng anliegenden Schirm.
Auch bei der Fertigung des Schirms selbst kann man viel richtig – oder falsch – machen. Ein wichtiger Parameter ist hier der Flechtwinkel. So ist bei sogenannten "kettentauglichen" Leitungen in der Regel mit einer Zugbelastung der Schirmdrähte im Außenradius der Leitung zu rechnen. Kommt dazu noch ein ungünstiger Flechtwinkel, steigt die Zugbelastung weiter an und Schirmdrahtbrüche können auftreten. Die Folgen reichen von reduzierter Schirmwirkung bis zu Kurzschlüssen, wenn spitze Drahtenden durch die Vliese oder Folien in die Adern stechen. Ein wichtiger Hinweis: Wenn sich der Schirm nach dem Abmanteln leicht nach hinten über den Mantel schieben lässt, ist der Schirm für bewegte Energieführungen meist schon ungeeignet! Dagegen geht igus® zielgerichtet vor:
in Langzeit-Versuchen ermittelte Schirmflechtwinkel neutralisiert sicher die Zugkräfte und ist damit optimal für e-ketten® geeignet.
Durch den stabilen Innenmantel kann der Schirm nicht unkontrolliert wandern.
Schirm selbst übt einen Torsionsschutz auf das Verseilgebilde aus.
Während Fehler im Innenleben äußerlich kaum zu entdecken sind, fallen Mantelprobleme sofort ins Auge. Der Mantel ist der erste Schutz für das komplizierte Innenleben. Daher sind gebrochene, abgeriebene und aufgequollene Mäntel ein ernster Qualitätsmangel. Um dies zu vermeiden, kann der igus®-Kunde mit 7 Mantelwerkstoffen seine e-ketten®-Leitungen auf die jeweiligen Umgebungsverhältnisse abstimmen.
Doch nicht nur das Material, sondern auch die Fertigung spielt hier eine wichtige Rolle. So werden bei sogenannten "kettentauglichen" Leitungen meist die Mäntel auf Schlauch extrudiert gefertigt, und geben so nicht den Halt für das Verseilgebilde, der bei ständigen Biegungen notwendig ist. Das Verseilgebilde kann sich auflösen. So bietet igus® als erster Hersteller von E-KettenSystemen® den sogenannten "zwickelfüllend extrudierten" Mantel an. Hier wird der Mantelwerkstoff zwischen die mit Talkum eingepuderte Aderverseilung gespritzt und stellt sicher, dass sich das Verseilgebilde nicht öffnet, sondern die Adern wie in einem Kanal geführt werden. Das besondere Merkmal bei dieser Fertigungsart ist, dass die Zwischenräume, die bei der Verseilung zwischen den Adern entstehen, durch den hohen Extrusionsdruck vollständig mit Mantelwerkstoff ausgefüllt werden. Damit bildet der Mantelwerkstoff eine kanalartige Führung aus, und die Adern können eine definierte Längsbewegung realisieren. Der Mantel stellt dadurch zusätzlich eine Stützfunktion für die Verseilung dar.
Zugentlastender Kern
Bündelverseilung
Zwickelfüllend extrudierter Innenmantel bei geschirmten Leitungen
Geschlossenes Schirmgeflecht
Optimierter Schirmgeflechtwinkel
Zwickelfüllend extrudierter Mantel